In Potsdam

[12] Vom Dome hallen Glockenklänge –

Stille Andacht überall,

Gläubig singt des Volkes Menge

Zu der Orgel hellem Schall;

Dort in einsamer Kapelle

An des Altars heilger Schwelle

Knie'n die Allerhöchsten Sünder,

Gottes auserwählte Kinder.


Was sie beten, was sie flehen?

Ihre bleiche Lippe spricht:

»Jetzt, da wir am Abgrund stehen,

Jetzt – nur jetzt verlaß' uns nicht!

Unser Purpur will erbleichen,

Unsre Macht zerfällt in Scherben;

Lass' mit Blute sonder Gleichen

Uns den Purpur wieder färben!« –
[12]

Mögen sie zum Himmel beten

Und mit neu gestärktem Muth

Eines Volkes Recht zertreten,

Pochend auf des Höchsten Huth:

Taub und schwach sind ihre Götter,

Taugen nur zum Spiel der Spötter;

Doch der Geist, der ewig freie,

Gibt dem Volk die Siegesweihe!
[13]

Quelle:
Louise Aston: Freischärler-Reminiscenzen. Leipzig 1850, S. 12-14.
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