Pfingstomnibus

[165] Zwei dicke Isabellen,

Die ziehn das Räderhaus,

Darinnen sieht's von hellen

Pfingstkleidern lustig aus.
[165]

Der Kutscher auf dem Bocke

Sitzt zwischen Zweigen grün;

Wunder! An seinem Rocke

Zwei Fliederbüsche blühn.


Die Peitsche läßt er wehen

Wie linden Wimpelschwung,

Die dicken Gelben gehen

Heut wie zwei Fohlen jung.


Als wenn sie heut zu Ehren

Dem Frühlingsfeiertag

Silberbeschlagen wären,

Klingt ihrer Hufe Schlag.


In hellen Resonnanzen

Tönts wider der Asphalt,

Klipp-klapp von Liebe und Tanzen

Ein Lied empor mir schallt:


Ein lieber Junge ist der Mai,

Er sitzt mit grünem Kranze

Auf einer buschigen Linde srei

Und spielt uns auf zum Tanze.


Hat Augen grade so wie du,

Die wie zwei Sonnen scheinen,

Er spielt und schwingt den Takt dazu

Mit seinen nackten Beinen.
[166]

Komm, Mädel, gieb mir deine Hand,

Wir wollen einen drehen,

Wie ihn der Mai, der Musikant,

Sein Lebtag nicht gesehen.


Nicht nach der Ueberzarten Art

Wolln wir im Kreise schleichen,

Wir tanzen heute Himmelfahrt

Und nach des Maien Geigen.


Drum fassen wir uns fest und warm

Und wirbeln uns verwegen,

Hopp, Mädel, komm! In meinen Arm

Kannst du dich ruhig legen.


So hoch des Maien Geige singt,

So hoch will ich dich heben:

Wer tanzend in die Liebe springt,

Der springt ins ewige Leben.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 165-167.
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Irrgarten der Liebe
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