Beata

[299] In ekle Mißgestalt verstellt,

Als schäbiger Schächer schlich sich feig

Das böse Schicksal in mein Haus

Und stahl mit kalter krummer Hand

Scheeläugig, hinterlistig mir

Der Seele goldnes Heiligtum.


Da war ich viele Wochen lang

Vor Schrecken stumm und war so leer,[299]

Daß es mir schien, es sei mein Herz

Von dieses Unholds dürrer Hand

Mir aus lebendgem Leib geraubt.

Jetzt aber fühl ichs wieder heiß

Und Schlag für Schlag und Klang für Klang;

Und Reime reihen sich im Tanz

Des Lebens, das von innen quillt;

Und alles ist so gut, so gut,

Als wär ich reicher, wie zuvor.


Wer hat dies Wunder mir gethan?

Wer schloß die Wunde mir so zu,

Daß keine heiße Narbe glüht?


Die Hand, die dies that, weiß es nicht,

Das Wesen, das mich so erhob,

That seine Gnade unbewußt,

Wie Gott wohl sein Erbarmen übt,

Wenn irdend wer in Leiden liegt.

Läßt seine Sonne drüber gehn,

Umschließt die Welt und macht gesund.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 299-300.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)