Der 147. Psalme

[821] Laudate Dom. qniā bonum.


Ein schöner Danckpsalm, für beid Geist vnd zeitliche wolthaten des Herrn.


1.

Nvn preißt vnd lobt den Herren,

alles dien zu sein Ehren,

dan es ist zwar das best,

Das lieblichst schönste dinge,

das man dem Herren singe,

darmit sich also tröst.


2.

Jerusalem er bauet,

vnd alles was jm trauet

erlöset er on fehl,

Samlet wider mit scharen

die so veriaget waren

aus seim volck Israel.


3.

Er thut den sehr vil gutes

die eins zerschlagnen Mutes

seind, in dem Geist betrübt,

Heilt die zerbrochen hertzen,

verbindet jhren schmertzen,

wan ers durchs kreutz lang übt.


4.

Sein macht ist nit zurlernen,

dan er auch zalt die sternen,

weil er hat sie bereit,

Er nennet sie mit namen,

das sie thun allesammen

was er jhn aufferleit.


5.

Gros ist der Herr von kraffte:

wie er alls macht vnd schaffte

vnd noch erhalte frisch,

Wie er alles regiret

zusprechen nicht gebüret,

weils vnbegreifflich ist.


6.

Die ellenden er löset,

die gotlosen verstöset

die da seind hochmütig,

Das demütig erhöhet,

richt auff was sich nicht blehet,

ist gdultig vnd gütig.


7.

Singet jm vmb einander,

ein lied vmbs ander wander,

dancks weis so singt dem Herrn,

Preißt jhn mit lobgesange,

mit süssem harpffenklange,

solch opffer hat er gern.


8.

Der dlufft mit wolcken decket,

den Regen draus erwecket

der vns hie kommt zu nutz,

Laßt wachsen auff mit freuden

das gras auff berg vnd weiden,

welchs man zu nutz abstutz.


9.

Des HERREN hand vnd güte

ersättigt leib vnnd gmüte,

ja vergißt nit die thier:

Er gibt dem viech sein futer,

vnd solches alles thut er

das man sein gros lieb spür.[821]


10.

Ja auch den jungen Raben

die jhn angruffet haben

versagt er nit die speis,

An Rossen vnd den Wagen,

wie starck die immer tragē,

kein lust noch krafft er weis.


11.

Trägt kein gfallen an beinen,

wie jung vnnd starck die scheinen,

acht nichts gros Volck vnd heer,

Doch an den trägt er gfallen

die jhn förchten ob allen,

auff sein güt hoffen sehr.


12.

Wolan, vmm solche gobe,

Jerusalem, jhn lobe

vnd du, heilig Zion,

Lob deinen GOT mit freuden,

der von dir nicht will scheiden,

auff das er gern da won.


13.

Dan er hüt dein auffs beste,

macht Rigel am thor feste,

segnet dein kinder drinn,

Den burgern gibt er segen,

das sie jhn loben mögen

bej jhrem glück vnd gwinn.


14.

Er schafft dein gräntzen friden,

das sie kein schad erlitten

von feinden hin vnd her,

Speißt dich mit bestem Weitzen,

dardurch dein gmüt zureitzen,

das es jhm danckbar wer.


15.

Vnnd solchs er alls vollendet,

wan er sein wort nur sendet

auff die Erd vnnd es heißt,

Da sein red ist so schnelle,

drauß wie auß einer quelle

wird alles hie gespeißt.


16.

Dem Winter er auch locket,

das Schnee heraber flocket,

deckt berg vnnd tieffe Thal

Mit Schnee gleich wie mit wollen,

das sich alls viech mus trollen

in sein höl vberal.


17.

Wie aschen streut er Reiffe,

den Nebel mit vmmschweiffe

er auff vnnd abe fürt,

Wie bissen wirfft er schlossen,

macht Eyß alls wers gegossen,

das es zu stein auch wird.


18.

Wer blieb vor seinem froste,

wan er nit schafft ein troste

an kleidern, holtz vnd feur,

Darmit der Kält zuwehren,

das vns nichts thu verseren,

sonder alls komm zu steur.


19.

Noch wan der HERR aussendet

sein wort, die kält gleich wendet

vnd kommt der Sommer für:

Er redt, so schmeltzs auff Erden,

muß Eyß wie wasser werden

vnd das feld wider dürr.


20.

Er laßt ein wind nur wehen,

so kan man lauffen sehen

den fluß nach seinem brauch,

Auffdawen die Eisschollen,

dan er hats so befohlen,

drumm mus es gschehen auch.


21.

Der Herr zeigt Jacobs gschlechte

sein sitten vnnd sein Rechte,

ein heiland er jhn setzt,

Welchs dan erfordert billich

das sie jm dāckē willig,

weil er sies wirdig schätzt.


22.

Dan er nie keinem volcke

vnder des Himels wolcke

war also gheim vnnd nah,

Das er es sein recht weiset:

drumm wol sein volck jhn preiset

vnd singt Halleluia.


Quelle:
Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Leipzig 1874, S. 821-822.
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