Nun ruhen alle Wälder

[114] 1.

Nun ruhen alle Wälder,

Vieh, Menschen, Städt und Felder,

Es schläft die ganze Welt;

Ihr aber, meine Sinnen,

Auf auf, ihr sollt beginnen,

Was eurem Schöpfer wohlgefällt.


2.

Wo bist du, Sonne, blieben?

Die Nacht hat dich vertrieben,

Die Nacht, des Tages Feind;

Fahr hin! Ein ander Sonne,

Mein Jesus, meine Wonne,

Gar hell in meinem Herzen scheint.


3.

Der Tag ist nun vergangen,

Die güldnen Sterne prangen

Am blauen Himmelssaal;

Also werd ich auch stehen,

Wenn mich wird heißen gehen

Mein Gott aus diesem Jammertal.


4.

Der Leib eilt nun zur Ruhe,

Legt ab das Kleid und Schuhe,

Das Bild der Sterblichkeit;

Die zieh ich aus. Dagegen

Wird Christus mir anlegen

Den Rock der Ehr und Herrlichkeit.


5.

Das Haupt, die Füß und Hände

Sind froh, daß nun zu Ende

Die Arbeit kommen sei;

Herz, freu dich, du sollst werden

Vom Elend dieser Erden

Und von der Sünden Arbeit frei.
[115]

6.

Nun geht, ihr matten Glieder,

Geht hin und legt euch nieder,

Der Betten ihr begehrt;

Es kommen Stund und Zeiten,

Da man euch wird bereiten

Zur Ruh ein Bettlein in der Erd.


7.

Mein Augen stehn verdrossen,

Im Hui sind sie geschlossen,

Wo bleibt denn Leib und Seel?

Nimm sie zu deinen Gnaden,

Sei gut für allem Schaden,

Du Aug und Wächter Israel.


8.

Breit aus die Flügel beide,

O Jesu, meine Freude,

Und nimm dein Küchlein ein!

Will Satan mich verschlingen,

So laß die Englein singen:

Dies Kind soll unverletzet sein.


9.

Auch euch, ihr meine Lieben,

Soll heinte nicht betrüben

Ein Unfall noch Gefahr.

Gott laß euch selig schlafen,

Stell euch die güldnen Waffen

Ums Bett und seiner Engel Schar.

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 114-116.
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