Gedicht

[23] An die Herzogin Franziska


womit bei der höchstbeglückten Ankunft

Ihro herzoglichen Durchlaucht

der Frau Herzogin von Württemberg

Franziska

in dem Kloster Maulbronn

seine untertänigste und tiefste Devotion

bezeugen

und sich Höchstdero Durchlaucht zu höchster

Huld und Gnaden untertänigst empfehlen wollte

Joh. Christian Friedrich Hölderlin.


Lang wars der heiße inniggefühlte Wunsch

Des Jünglings, lange – ! oft der Gedank der Stund,

Die feurig hinwies zur Vollkommenheit –

Wie ihm im Busen glühe die Ehrfurcht,


Dirs hinzusagen! Aber der deutscheren

Gemütseröffnung winkte mit zärtlichem –

Mit ihrem Mutterblick die Sittsamkeit

Stille zu stehn – dem strömenden Danke.


Du kommst – jetzt winke gutgemeint immerhin

Die Sittsamkeit! Die Lippe bebt nimmer mir!

Franziska ists, Franziska! Ha, es bebt

Nimmer die Lippe furchtsames Stammeln!
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Weh über dich, du Menschenfeind, grausamer

Bedrücker du des Schwächeren neben dir!

Dems zu alltäglich ist, vom Jammerblick,

Von dem entblößten Hungergerippe


Erweicht zu werden – Schaue die liebende

Erhalterin, wie ringsum sie Lächeln streut!

Schon sank der Pilger dort der Grube zu;

Wie er so ruhig jetzt auf die Leiden


Zurückblickt! Dann du rettetest ihn, dann du,

Franziska, gossest Balsam ihm in die Wund! – –

Zu weit hab ich den Mund schon aufgetan,

Siehe, die Lippe bebt, ich verstumme. – –


Es sags der Greis nur, welchem der Lorbeerlohn

Am glänzendsten die Stirne umfließt! Es sei

Franziska ihm der letzte Erdgedank,

Und er entsinke ruhig dem Stabe.


Und Carln die tätge Hände zu weihen, sei

Des Mannes erster feurigster Trieb! und dann –

Ists auch dem Jüngling dann gegönnt, für Carln

Leb er hienieden, leise zu denken?

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Stuttgart 1946, S. 23-25.
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