Der Schwester zum Geburtstage

[328] (Mit einem Asterstrauß.)


Wohl gerne mag ich Veilchen pflücken

Und mich an ihrem Duft erfreun,

Wohl gerne mich mit Rosen schmücken

Und Nelken und Vergißnichtmein.


Wohl gerne seh' ich Lilien glänzen,

Wie sie so klar und herrlich stehn,

Und gern mag ich nach duft'gen Kränzen

Durch blumenreiche Wiesen gehn.


Ja, alle Blumen sind zu loben,

Die uns der gute Vater schenkt,

Der Sonne giebt und Luft von droben

Und sie mit Thau so milde tränkt.


Doch sind seit wenig Tagen Sterne

Erblüht auf unserm Erdenrund,

Die seh' ich, pflück' ich gar so gerne,

Sie stehn so freudig und so bunt.
[329]

Sie stehn in Sehnsucht, stehn in Frieden

Und blicken nach dem Sonnenschein;

Ihr Reich, ihr Schatz ist nicht hienieden,

Doch wollen sie die Welt erfreun.


Sie stehn in lichten Thauesthränen

Im Morgenroth, im Abendschein;

Sie blüh'n mir Frieden, blüh'n mir Sehnen,

Sie blühen mir in's Herz hinein.


Sie blüh'n in Sehnsucht, blüh'n in Frieden

Zu Dir aus meiner Brust heraus;

Sie wollen meinen Gruß Dir bieten:

Nimm, Schwester! hin den vollen Strauß.


Und siehst Du diese bunten Sterne,

So flüstern sie Dir stets von mir,

Und winken aus der weiten Ferne

Mein liebevolles Grüßen Dir.


11. Septbr. 1820.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 328-330.
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