Rote Lehre

[284] »Ich bin rot und hab's erwogen

Und behaupt es unverweilt!

Könnt ich, würd ich jeden köpfen,

Der nicht meine Meinung teilt!«
[284]

In des Baders enger Stube

Vetter Hansen also sprach,

Eben als 'nem feisten Bäcker

Jener in die Ader stach.


Und des Blutes muntrer Bogen

Aus dem dicken drallen Arm

Fiel dem Vetter auf die Nase,

Sie begrüßend freundlich warm.


Bleich, entsetzt fuhr er zusammen,

Wusch darauf sich siebenmal;

Doch noch lang rümpft' er die Nase,

Fühlt' noch lang den warmen Strahl.


Mittags widert ihm die Suppe,

Rötlich dampft sie, wie noch nie;

Immer geht es so der alten

Grauen Eselstheorie!


Manches Brünnlein mag noch springen

In das Gras mit rotem Schein;

Doch der Freiheit echter, rechter

Letzter Sieg wird trocken sein.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 284-285.
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