Neunte Vorstellung.

[146] Der Zug schwebte vorüber; es kam ein Schiff, das segelte auf der einsamen See, seine rote Flaggen wehten wie Abendwolken in der blauen Luft. Es verschwand. Mönche, Herolde, Ritter, Könige, lustige Springer, Nonnen, Meerfrauen, Heiligenbilder zogen an mir vorüber, die verwandelten sich bald in eine Menge Blumen, als da sind: Rosen, Lilien, Tulpen, Narzissen, Anemonen, Sterne und Sonnenblumen: die gingen zum schönsten, buntesten Strauße zusammen, der in schwarzer[146] Nacht in sonnenhellen Farben stand. Er schien mir erst ganz nah zu stehen, doch waren seine Farben hier noch matt; aber jetzt trat er immer mehr und mehr zurücke, und je ferner er mir kam, desto glänzender wurden seine Farben, endlich war er in ungeheurer Ferne nur noch wie ein Punkt zu sehen, doch in diesem Punkte noch jede einzelne Blume kenntlich, so durchscheinend hell waren jetzt seine Farben; da erlosch er, und ich erwachte.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 146-147.
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