Wunsch

[274] Urwald, in deinem Brausen

Und ernsten Dämmerschein

Mit der Geliebten hausen

Möcht ich allein – allein!


Von deinen schlanksten Bäumen

Baut ich ein Hüttlein traut

Mir aus zu Himmelsräumen;

O komm, du schöne Braut!


Ich legte Moosgebreite

Weich unter ihren Schritt,

Und meine Liebe streute

Ich unter ihren Tritt.[274]


Für sie das Wild erjagen,

Aus tiefster Schlucht empört!

Für sie den Feind erschlagen,

Der unsern Frieden stört!


Ich würd in Mondesnächten,

Beim stillen Sternentanz,

Von wilden Liedern flechten

Um meine Braut den Kranz;


Und in den Abendgluten

Am Fels hier oben stehn,

Mit ihr die Donnerfluten

Zum Abgrund stürzen sehn;


Und weit hinunter blicken

Ließ' sie mein starker Arm;

Wie würd ich sie dann drücken

Ans Herz so fest und warm!

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 274-275.
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