3.
Festlied

[13] gesungen am 25. August 1766 zur Trauung des Herrn Reinhold Johann Baron von Igelstroem zu Menershof mit dem Edelfräulein Helene von Lauw zu Schloß Oberpahlen.


Vom freundlichen Olymp sieht der Allmächtge nieder

Auf das von ihm geknüpfte Paar. –

Die Lust erheitert jetzt die blassen Stirnen wieder,

In welchen Schmerz und Angst tief eingegraben war.


Es rang der mächtge Tod die Freuden zu verscheuchen,

Die Gott für dieses Paar beschloß.

Er hob den dürren Arm und unter seinen Streichen

Sank der Geliebte hin, matt, krank und sinnenloß.


Da lag er: um ihn bat die zitternde Geliebte

Oft in durchweinter Mitternacht.

Mit heißem Flehn errang die zärtliche Betrübte

Das Leben ihres Freunds vom Wink der höchsten Macht.


Noch floh das schwarze Heer der drohenden Gefahren

Nicht ganz zum feurgen Phul hinab.

Noch einmal wagten sich des Unglücks blutge Schaaren

An des Geliebten Haupt und zeigten ihm sein Grab.


Ein Ungeheuer rang mit mörderischem Stahle

Auf seinen bangen Busen loß.

Schweiß floß vom starken Arm, der wiederholte Male

Den Mordstahl heulend schwang. Die Wuth that Stoß auf Stoß.[14]


Doch der Allmächtge stand erzürnt vor seinem Trone

Und sah des schwarzen Mörders Wuth,

Hört des Verwundten Flehn mit bangem heißrem Tone,

Sah hülfloß, schwach ihn stehn, bedeckt mit Schweiß und Blut.


Und Gott erhörte ihn von Todesangst umgeben: –

Der Dolch zerbrach noch ungetränkt:

Das blitzend scharfe Schwerdt entriß ihm nicht das Leben,

Weil es die Vorsicht selbst vom Herzen abgelenkt.


»Genug versucht, genug! sprach Gottes Donnerstimme

Vom heiterern Olymp herab:

Schmerz, Angst und Tod entweicht!« Und mit ohnmächtgen Grimme

Entwich der schwarze Tod, der Schrecken fand sein Grab.


Und froh Entzücken fiel auf die Verliebten nieder,

Ihr durch die Noth gebeugtes Haupt

Erhob sich lächelnd jetzt zum heitern Himmel wieder

Von Lust und Zärtlichkeit mit Lorbeer ganz umlaubt.


O tröste, reine Lust! und du beglückte Liebe!

Tröst ihr durch Schmerz zerrißnes Herz! –

Nun werd der Himmel nie ob Eurem Haupte trübe,

Ihr zärtlich Liebenden! nie droh er neuen Schmerz!


Ein stets vergnügtes Herz klopf jetzt in Eurem Busen!

Liebt ungestört, liebt ewig treu!

Es schmecke Igelströhm an seines Lenchens Busen,

Daß wahre Zärtlichkeit das größte Glücke sey!


Wenn einst, vom Alter matt sich deine Augen schliessen,

Gemach dem Leib dein Geist entflieht,

Dann drücke deine Braut mit heissen, treuen Küssen

Dein brechend Auge zu, das starr noch nach ihr sieht.


Dann sink sie auf dich hin und sterb' an deiner Seite,

An der sie lang vergnügt gelebt! –

Doch – spät erst werdet ihr des dürren Todes Beute!

Dann erst, wann Silberhaar um eure Scheitel schwebt.

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Gedichte, Berlin 1891, S. 13-15.
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