Ein Stündlein wohl vor Tag

[675] Derweil ich schlafend lag,

Ein Stündlein wohl vor Tag,

Sang vor dem Fenster auf dem Baum

Ein Schwälblein mir, ich hört es kaum,

Ein Stündlein wohl vor Tag:


»Hör an, was ich dir sag,

Dein Schätzlein ich verklag:

Derweil ich dieses singen tu,

Herzt er ein Lieb in guter Ruh,

Ein Stündlein wohl vor Tag.«


O weh! nicht weiter sag!

O still! nichts hören mag!

Flieg ab, flieg ab von meinem Baum!

– Ach, Lieb und Treu ist wie ein Traum

Ein Stündlein wohl vor Tag.


Quelle:
Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 675.
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