Wunsch

[145] An Salis.


Noch einmal möcht' ich, eh' in die Schattenwelt

Elysiums mein seliger Geist sich senkt,

Die Flur begrüssen, wo der Kindheit

Himmlische Träume mein Haupt umschwebten.
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Der Strauch der Heimath, welcher des Hänflings Nest

Mit Kühlung deckte, säuselt doch lieblicher,

O Freund, als alle Lorbeerwälder

Ueber der Asche der Weltbezwinger.


Der Bach der Blumenwiese, wo ich als Kind

Violen pflückte, murmelt melodischer,

Durch Erlen die mein Vater pflanzte,

Als die blandusische Silberquelle.


Der Hügel, wo der jauchzende Knabenreihn

Sich um den Stamm der blühenden Linde schwang,

Entzückt mich höher als der Alpen

Blendende Gipfel im Rosenschimmer.


Drum möcht' ich einmal, eh' in die Schattenwelt

Elysiums mein seliger Geist sich senkt,

Die Flur noch segnen, wo der Kindheit

Himmlische Träume mein Haupt umschwebten.


Dann mag des Todes lächelnder Genius

Die Fackel plözlich löschen; ich eile froh

Zu Xenophons und Platons Weisheit

Und zu Anakreons Mirthenlaube.

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 145-146.
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