Die Demokratinnen

Sehen wir einmal mit unparteiischem Auge unter unsern Genossinnen uns um! Vielleicht, daß es uns auf die Weise möglich wird, Schwankende und Unsichere zu befestigen, Zweifelnde zu überzeugen – zurückzuweisen aber auch solche, welche den Namen der Demokratie mißbrauchen oder durch ihr Tun dem Spotte preisgeben.

Prüfen wir nun einmal unsere ganze Partei, die ganze Demokratie der Frauen – tun wir dies sowohl unserer Anhänger als unserer Gegner willen; seien wir streng und aufrichtig gegen uns selbst – wir sind dies sowohl unseren Freunden wie unseren Feinden, vor allem aber sind wir es uns selbst schuldig.

Die Beweggründe, welche die Frauen zur Demokratie geführt haben, sind zweierlei: Die einen sind Demokratinnen durch die Verhältnisse, die andern aus Überzeugung geworden – immer aber wird bei beiden das »Ewigweibliche«, das Moment der Liebe und Hingebung zum Grunde liegen – bei den einen ist es die Liebe und Hingabe an einzelne Personen – bei den andern ist es Liebe und Hingabe an das Allgemeine.

So teilen wir denn die Demokratinnen ein in:

1) Die Forcierten oder Gemachten, die, in Äußerlichkeiten sich gefallend, vor allen Dingen Aufsehen erregen wollen.

2) Die Isolierten oder Zurückgezogenen, das offenbare Gegenstück von jenen, wirken sie nur da, wo sie sicher sind, nicht bemerkt zu werden.

3) Die Frivolen oder Unsittlichen, welche teils die Demokratie zum Deckmantel eines wüsten Lebens brauchen möchten, teils sogar meinen, zu solchem Leben als Demokratinnen berechtigt zu sein.

4) Die Enthusiasmierten oder Begeisterten, die dem Geiste, der sie treibt, folgen, in der frohen Überzeugung, daß sie zuerst ihm gehorchen müssen, unbekümmert um das Urteil der Welt.

Betrachten wir nun diese einzelnen Klassen näher.

Quelle:
»Dem Reich der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen«. Die Frauen-Zeitung von Louise Otto. Frankfurt a.M. 1980, S. 188-189,201.
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