Der bestrafte Geizhals, ein Schattenspiel an der Wand

[191] Gebt Acht, ihr Herrn und Frauen,

Schaut fleißig an die Wand:

Der braune Mann mit Klauen

Ist Wechsler Hildebrand.


Ein alter Filz aus Hessen;

Nur Wasser war sein Trank,

Nur Grütze war sein Essen,

Sein Lager eine Bank.


Hier steht er vor dem Kasten,

Wo, Schicht auf Schicht gelegt,

Die gelben Füchsen rasten,

In Kremnitz ausgeprägt.


Schaut, wie er sich dran weidet!

Nun fasset seine Hand

Den Zwicker, und beschneidet

Frech der Ducaten Rand.
[192]

He he! hier sind zween Armen,

Die ihn um Hülfe flehn;

Hört, wie er ohn Erbarmen

Sie heißt zum Teufel gehn.


Nun spricht, an seinem Stabe,

Ein alter blinder Mann,

Mit einem Fuß im Grabe,

Um einen Deut ihn an.


O Wunder! einen Dreyer

Langt ihm der Filz hinaus:

Gieb, ruft er, alter Schreyer,

Zween Pfennige heraus!


Er danket Ihro Gnaden,

Und hungrig wie der Tod,

Schleicht er zum Beckerladen,

Und heischt ein Dreyerbrod.


Hier sitzt auf ihrem Schemmel

Die Beckrin, weiß wie Schnee,

Und trinkt zu einer Semmel

Ihr Schälchen Milchcoffee.
[193]

Sie nimmt von ihm den Stater,

Beguckt ihn: »Alle Welt!

Mein guter alter Vater

Ihr gebt mir falsches Geld!«


Der Greis weint stille Zähren,

Die laut um Rache schreyn;

Und von den Himmelssphären

Kömmt flugs ein Engelein.


In einen Demantbecher

Faßt er wie Perlen sie,

Und gießt sie vor den Rächer

Mit tiefgebeugtem Knie.


Schaut her! auf seinem Throne

Sitzt Gott im Lichtgewand,

Mit seiner Sternenkrone,

Das Weltrund in der Hand.


Er spricht: (Nehmt ab die Mützen!)

»Voll ist des Frevlers Maas.«

Ha, seht sein Rachschwert blitzen,

Es winkt dem Satanas.
[194]

(Bekreuzt euch!) Hurr! im Sturme

Erscheint der Drache schon,

Und krümmt, gleich einem Wurme,

Sich vor des Höchsten Thron.


Was willst du? brüllt der Drache,

»Du kennest Hildebrand,

Den Wuchrer; meine Rache

Giebt ihn in deine Hand.«


Mit gräßlichem Geprassel

Stürzt er vom Sternenplan,

Und schon klopft er in Cassel

Am Haus des Sünders an.


Herein! ruft er mit Brummen.

Er sperrt beym Lampenschein

Die heut erpreßten Summen

Just in ihr Grabmal ein.


Seht, ein Talar von Seide

Deckt Satans Pferdefuß;

Er scharrt, voll böser Freude

Ihm seinen Abendgruß.
[195]

»Was wollt ihr?« – Deine Seele,

Verdammter Bube du! –

Er packt ihn bey der Kehle,

Und drückt sie knirschend zu.


Schaut her, wie seine Fratze

Vom schwarzen Blut sich bläht,

Wie er nach seinem Schatze

Sein starres Aug noch dreht.


(Nehmt Schnupftoback!) Mit Krachen

Und Dampf weicht Satanas,

Nachdem er erst mit Lachen

Zerstampft des Frevlers Aas.


Da liegt er nun, o Grauen!

Zerquetscht wie eine Maus.

Ihr Herren und ihr Frauen,

Nun ist mein Schauspiel aus.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 191-196.
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