2.

[488] König, der du alles dieses hattest

und der du mit lauter Leben mich

überwältigest und überschattest:

komm aus deinem Throne und zerbrich

meine Harfe, die du so ermattest.


Sie ist wie ein abgenommner Baum:

durch die Zweige, die dir Frucht getragen,

schaut jetzt eine Tiefe wie von Tagen

welche kommen –, und ich kenn sie kaum.


Laß mich nicht mehr bei der Harfe schlafen;

sieh dir diese Knabenhand da an:

glaubst du, König, daß sie die Oktaven

eines Leibes noch nicht greifen kann?

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 488-489.
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Neue Gedichte - Der Neuen Gedichte anderer Teil.
Insel Taschenbücher, Nr.49, Neue Gedichte