Ein fröliches Lobe-Lied Gottes

[179] Von der Herrligkeit des Schöpffers.


1.

Auff, meine Seel', vnd lobe Gott,

Spiel auff dem Herren Zebaoht,

Dem König' aller Ehren.

Auff, auff vnn lass' vns bester weis'

Allein des Herren Lob vnd Preiß

Zu jeder Zeit vermehren.

Mein Gott, du bist voll Herrligkeit;

Sehr prächtig gläntzet dort dein Kleid,

Viel heller als die Sonne.

Du breitest deines Himmels Hauß

Wie einen blawen Teppich aus

Mit grosser Frewd' vnd Wonne.


2.

Du fährest auff den Wolcken her,

Als wenn es nur dein Wage wär;

Du gehest auff den Winden.

Du schaffest, daß der Engel Schaar

Gleich wie die Flammen hie vnd dar

Sich dir zu Dienste finden.

Du gründest diesen Erden-Kloß,

Du lässest seine Hügel bloß,

Bedeckest jhn mit Wellen.

Die Wasser hangen oben an,

Da keiner sie bezwingen kan,

Daß sie herunter schnellen.


3.

Die Wolcken lauffen spät' vnd früh,

Dein starcker Donner jaget sie,

Die Berge zu besprützen;

Die haben jhre Grentz' vnd Ort,

Sie lauffen nun vnd jmmer fort,

Hoch prangen jhre Spitzen.

Du lässest Brunnen ohne Zahl

Vnd tausend Bächlein tausend mal

Entspringen in den Gründen;

Da wissen so viel wilder Thier',

Als Löwen, Bähren, Hirsch' vnd Stier,

Den klaren Tranck zu finden.
[179]

4.

Die Wasser fliessen mehr vnd mehr,

Dabey erklingt das leichte Heer

Der Vöglein auff den Zweigen.

Bald feuchtest du von oben ab

Die Hügel, daß sie ihre Gaab'

Vnd schöne Frücht' vns zeigen.

Du schaffest, daß das gantze Land

Mit Weitzen füllet vnsre Hand;

Du machest feucht die Erden,

Du lässest durch dein klares naß

Die Kräuter, Blumen, Laub vnd Graß

Für Vieh' vnd Menschen werden.


5.

Du giebest Wein vnd süssen Tranck,

Der vns kan unser Lebenlang

In Trawrigkeit ergetzen.

Das Oel' erhält vns die Gestalt,

Wenn wir nun werden matt vnd alt.

Was ist für Brodt zu schätzen?

Du pflantzest durch des Menschen Hand

Viel Cedern in ein fettes Land,

Die für die Reiger dienen.

Die Gems' erwehlt der Berge Klufft,

Die Felsen vnd der Hügel Grufft

Sind Häuser der Caninen.


6.

Du hast geordnet recht vnd wol,

Wie man die Zeiten theilen sol:

Diß sagt der Mond der Erden;

Die Sonne geht des Morgens auff,

Vnd wenn verbracht jhr schneller Lauff,

Lässt sie es finster werden.

Denn regen sich die wilden Thier'

Vnd kriechen aus der Höl' herfür.

Die jungen Löwen brüllen;

Sie rauschen durch das grüne Laub

Vnd suchen jhre Speis' vnd Raub,

Die Hungers-Noth zu stillen.


7.

Wenn aber nun die finstre Nacht

Den liechten Tag hat wieder bracht,

So fliehen sie von hinnen,

Sie trauen nicht mehr jhrer Stärck'.

Es geht der Mensch ans Ackerwerck,

Die Nahrung zu gewinnen.

Ach Herr', es ist ja fast kein Ziel,

Denn deiner Wercke sind zu viel,

Sie stehn auff dein Befehlen;

Doch alles ist geordnet wol,

Die Erd' ist deiner Güte voll:

Wer kan sie all' erzehlen?


8.

Das weite Meer hält ohne Zahl

Die Fisch' in seiner Grund zumahl,

Da wimmeln sie mit Hauffen.

Ein grosser Walfisch springt herfür;

Dort sihet man die Wasser-Thier'

Vnd dort die Schiffe lauffen.

Es wartet alles, Herr', auff dich,

Der du sie speisest mildiglich,

Daß sie nicht Hunger leiden.

Du thust dein' Hand auff spät' vnd früh,

Du giebest gnug, so samlen sie

Vnd werden satt mit Frewden.


9.

So bald du aber dein Gesicht,

O grosser Gott, erzeigest nicht,

Erschrecken sie von Hertzen.

Wenn du nimpst jhren Odem hin,

Verkehret sich jhr Muth vnd Sinn

Mit unerhörtem Schmertzen.

Dein Geist, Herr', ist es, der sie schafft

Vnd der sie auch von hinnen rafft.

Du machest new die Erden;

Sie zittert, wenn du kömmst heran,

Kein Berg für dir bestehen kan,

Er muß bald rauchend werden.


10.

Dir wil ich, Herr, mein lebenlang

Von Hertzen singen Preiß vnd Danck,

Dich wil ich hoch erheben.

Du machest frölich früh vnd spat,

Was Wasser, Lufft vnd Erden hat,

Ja alles, was mag leben.

Du wässerst auch mit deiner Hand

Vnd suchest heimb das dürre Land,

Dein Brunn' ist nicht verlauffen.

Die Aecker nehmen frölich zu,

Die tieffen Furchen tränckest du

Vnd segnest vns mit Hauffen.
[180]

11.

Du segnest das gepflügte Feld

Noch eh' offt, als die Saat bestellt,

Du giebest Taw vnd Regen.

Du Krönest das begrünte Jahr,

Daß seine Frücht' vns jmmerdar

Sich schier zun Füssen legen.

Die Anger sind der Schafe voll,

Die kleinen Hügel tragen wol,

Die jungen Lämmer springen,

Das Land ist nichts denn Frewd' vnd Zier.

Mein Gott, dich preiß' ich für vsnd für

Mit jauchtzen vnd Lobsingen.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 179-181.
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