40. Die Herbstnacht

[302] Der Mond, umwallt von Wolken, schwimmt

Im feuchten Blau der Luft;

Der Forstteich, matt versilbert, glimmt

Durch zarten Nebelduft;

Die Glut, vom Hirtenkreis' umwacht,

Verschwärzt, entflackernd, rings die Nacht;

Eintönig rollt vom Brunnenrohr

Der Wasserstrang, der sich verschlürft;

Und zarte, graue Schatten wirft

Schräghin das Kirchhofthor.
[302]

Das Netz der Zuggewölke schwillt

Zum Zelt des Blitzes auf;

Der Mond, in Wettergraun gehüllt,

Verschied nach halbem Lauf.

Des Irrlichts bläulich siecher Schein

Erlischt im Torf am Tannenhain.

Des Zeigers Goldblatt blinket matt,

Umflort von feuchtem Nebelrauch;

Und ängstlich zückt im Erlenstrauch

Sein letztes dürres Blatt.


Hier, wo aus langer Nacht empor

Sich die Betrachtung reißt,

Bedrückt das Herz ein Schwermutsflor;

Doch Frührot hellt den Geist.

Des Schicksals Wolken fliehn zerstreut;

Aus Dunkel strahlt die Herrlichkeit.

Der Unschuld Rose blüht bewährt,

Durch Stürme nicht des Dufts beraubt,

Da, durch die Nacht, der Tugend Haupt

Nur hehrer sich verklärt.


Durch Seelenkraft und festen Mut

Wird Wahn und Schmerz besiegt;

Der weise Glaube fühlt als gut,

Was Allmacht liebend fügt.

Ein Kind im Mutterschoße ruht

So achtlos bei der Blitze Glut.

Auf Pfade der Gelassenheit

Glänzt Hoffnung im Gewitterlicht;

Und in des Todes Blitz verflicht

Den Strahl – Unsterblichkeit!

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 41, Stuttgart [o.J.], S. 302-303.
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