Denkzettelchen in Phyllis Schatzkästlein.

[39] Ohn die die weiche Hand, die weiße Brust zu küßen,

Hab ich dich, Phyllis, jüngst verlaßen müßen!

Für mich, o Mädchen, welch ein tiefer Schmerz!

Auf deinen Lippen wohnt allein mein Leben,

Wenn unter Küßen sich die Marmorhügel heben,

Dann wall't auch Freude durch mein Herz –[39]

Und bald – bald werd ich Dich lang gar nicht sehen,

Ach dann wird wohl die Winterlust

Die Dich zum Contretantz und Schlittenfahrten ruft

Die kleine Flamme ganz verwehen,

Die Flamme die vielleicht zu meinem Glück

in manchem schönen Augenblick

Dein Herz noch wärmt – dann wird der Sommer meines Lebens

Nur Eine lange Klage seyn;

Dann blüht für mich die Welt vergebens,

Dann wird um mich ein ew'ger Winter seyn! –

Sieh, Phyllis, jene überschneyten Hügel

Sie luden uns, so lang als Zephyrs Flügel[40]

Ihr grün Gebüsch durchwehte zum Spaziergang ein,

Doch jetzt umbrausen sie des Nordwinds Flügel,

Die Büsche trauren blätterleer,

Da stehn sie jetzt verwayßt die majestätschen Hügel –

So werd ich auch die Marmorhügel,

Wo jetzt Empfindung wohnt und Rosenknospen blühn

Von weitem sehn, vor ihrer Kälte fliehn. –

O welch ein Gram für mich wenn diese Busenhöhen

Kein Lenz der Liebe mehr für mich umblüh't,

Wenn sie ein andrer küßt, und ihren Reitz zu sehen

Den seidnen Flor von weißen Schultern zieht![41]

O Mädchen laß doch nie entfernt von mir den Winter

Dein Herz mit Eiß für mich umziehn,

Wenn du mich wiedersiehst, dann wall' dein Blut geschwinder,

Und laß auf deinen Wangen Liebe glühn.
[42]

Quelle:
[Johann Georg Scheffner]: Gedichte im Geschmack des Grecourt, Frankfurt; Leipzig 1771, S. 39-43.
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