Der zehende Auftritt.


[369] Nicander, Philinte, Agenor, Juliane, Cathrine.


NICANDER. Was giebt es? was ist das für Lärmen hier?

PHILINTE. Hier körnt gleich jemand, der am besten wissen kann, von was vor einem Geschlecht ich bin. Kommen sie Nicander, sagen sie[369] diesen Leuten, ob es nicht wahr ist, daß ich ein Frauenzimmer bin.

NICANDER. Ein Frauenzimmer. Ja! ich weiß es am besten. Ein Frauenzimmer das alle Frauenzimmer in der ganzen Stadt für sich allein haben will.

AGENOR. Willst du Verräther mich durch einen so läppischen Vorwand hintergehen?

NICANDER. Halt Agenor.

PHILINTE. Nur Geduld! der Beweiß ist leicht. Nicander, haben sie die Briefschaften, die ich sie bat, von meinem Kaufmanne abzuholen.

NICANDER. Sie? Wie? Sie hätten mich darum gebeten? Sie wollen sagen, ihre Schwester.

PHILINTE. Ich oder meine Schwester, das ist gleich viel. Ich bin selber meine Schwester.

NICANDER. Ists möglich?

PHILINTE. Haben sie die Briefschaften.

NICANDER. Hier sind sie.

PHILINTE. Wollen sie sie eröfnen, so werden sie daraus ersehen, und sagen können, wer ich bin.

CATHRINE. Nun! Warum stecken sie die Hände in die Tasche. Wollen sie nicht todtstechen, Herr Agenor. Geben sie mir ihren Degen. Sie muß sterben, nur darum, weil sie ein Frauenzimmer ist. Wie? ein Frauenzimmer will meinen Herrn – – – Wenn es noch eine Mannsperson wäre. Ein Frauenzimmer soll sich unterstehen, meiner Frau von Liebe vorzusagen. Wenn die arme Frau sich nun hätte bereden lassen, wie grausam wäre sie nicht betrogen worden. Nein! das schreyt um Rache! Weg! weg! aus dem Wege! sie muß sterben.

PHILINTE. Nun! hör auf mit deinen Possen, Cathrine. Sehen sie nun bald aus diesen Papieren, wer ich bin, Nicander. Wird man mich bald für ein Frauenzimmer erkennen?

NICANDER. Hilaria, Himmel, Hilaria. Ists möglich? Sind sie es, die mir heute so viel Freundschaft erwiesen hat. Sie haben meine Beleidigungen mit so viel Gütigkeit belohnt. Sie haben sich meinetwegen so viel Mühe gegeben. Sie können einen Mann, der sie verlassen hat, nach zehen Jahren noch lieben. So viel habe ich nicht verdient.

PHILINTE. Sagen sie das nicht. Ich habe Gelegenheit gehabt, unter dieser Verkleidung ihr Herz zu kennen. Ich urtheile nicht so parteyisch, daß ich sie darum nicht liebenswürdig finde, weil sie mich nicht lieben.

NICANDER. Ja, ich liebe sie, Hilaria. Und ich bedaure die Zeit, da ich sie nicht geliebet habe. Alles, was ich ihnen vorhin gesagt habe,[370] da ich sie nicht kannte, habe ich ihnen von Herzen gesagt. Auf den Knien. Aber können sie mir meine Ausschweiffungen verzeihen.

PHILINTE. Hundert Liebesausschweiffungen verdienen eher Verzeihung, als eine einzige Tyranney.

AGENOR. Wie soll ich das begreiffen.

NICANDER. Das ist meine Frau, Agenor.

AGENOR. Das ist eine außerordentliche Verwandlung.

PHILINTE. Wissen sie, Herr Agenor, daß sie mir viel Dank schuldig sind. Ohne mich würde ihr übles Bezeigen und meines Mannes Liebe gegen Julianen ihnen leichtlich einen Streich gespielet haben, den man mit dem Degen in der Faust zwar rächen, aber nicht wieder gut machen kann. Nehmen sie sich künftig besser in acht. Ihr hartes Verfahren ist für sie selber sehr gefährlich. Eine Tugend mag so fest seyn, als sie will, sie muß endlich weichen, wenn sie zugleich von Liebe und von Kummer bestritten wird. Diejenige Person, der sie weichen könnte, möchte nicht allezeit als ein Frauenzimmer befunden werden, und ihren Sieg besser gebrauchen, als ich.

NICANDER. Ich habe meine Frau um Verzeihung gebethen. Willst du meinem Exempel nicht folgen. Du hast doch sehr unrecht. Ich kann dich versichern, deine Frau verdient sehr viel Hochachtung, und es hat an mir nicht gelegen, daß sie nicht etwas weniger verdiente.

AGENOR. Ich erkenne es selber, Juliane, und ihre Unterredung mit ihrem vermeynten Liebhaber, ihre Klagen und auch ihre Zärtlichkeit gegen mich, haben mich übezeugt, daß ich bisher nicht den rechten Weg gegangen bin, um vergnügt mit ihnen zu leben. Ich bitte um Verzeihung.

JULIANE. Ihr Geständniß verdient mehr, als meine Verzeihung.

AGENOR. Vergessen sie, daß ich nicht mehr Vertrauen in sie gehabt habe. Ich schaffe die Aufseherin ab, die ich ihnen habe geben wollen.

CATHRINE. Und ich habe sie schon abgeschafft, und sie soll lange warten, bis man sie wiederholet.

AGENOR. Behalten sie Cathrinen zum Zeugen bey sich, daß ich ihre Treue und ihre Zärtlichkeit inskünftige besser verehren will.

CATHRINE. Ich will nicht hoffen, daß sie immer Zeugen dazu gebrauchen werden.

AGENOR. Hier, Cathrine, hast du eine Belohnung, daß du meiner Frau mit deinem eignen Schaden geholfen hast.

CATHRINE. Ich danke sehr. Ich will es auf Vorrath legen, wenn es wieder nöthig seyn möchte.

AGENOR. Nein! Juliane, es steht ihnen inskünftige alles zu Diensten, was sie zu ihrem Vergnügen verlangen können.[371]

CATHRINE. Wir werden sie zu gehöriger Zeit daran erinnern.

AGENOR. Sie können ihre Gesellschaft, ihre Ausgaben, alles nach ihrem eignen Gefallen einrichten. Sie können über alles, über mich selbst gebiethen.

JULIANE. Nicht zu viel, Agenor, nicht zu viel.

CATHRINE. Die geschwindesten Bekehrungen sind sonst nicht allemal die aufrichtigsten.

AGENOR. Die meinige ist aufrichtig.

CATHRINE. Das schlimmste ist, daß man bey dergleichen Sachen sich auf das blosse Versprechen verlassen muß.

AGENOR. Nicander und Hilaria sollen Zeugen davon seyn. Ich bitte sie, bleiben sie hier.

NICANDER. Mit Vergnügen.

PHILINTE. Sie werden mich entschuldigen. Nicander, sie haben ein kurzes Gedächtniß. Haben sie mich nicht diesen Abend auf ein hübsches Mägdchen zu Gaste gebeten.

NICANDER. Ich denke an kein hübsches Mägdchen mehr, nachdem ich sie wiedergefunden habe.

CATHRINE. O! das klingt galant! Nun glaube ich es bald selber. Ihr Herren Ehemänner, ihr mögt so wild oder so ausschweiffend seyn, als ihr wollt. Eine gute Frau findet schon Mittel, euch wieder zurechte zu bringen.


Ende.
[372]

Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 369-373.
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