Todtengesang ihrem Vater und Führer Herrn Philipp Friederich von Rieger etc. im Namen der sämmtlichen Offiziere seines Bataillons

Ich höre die Stimme des Weinens auf dem einsamen Berge; denn der Vater der Kriegsschaar ist gefallen. –

Wie fiel der Vater der Kriegsschaar, o Sohn des einsamen Berges?

Er fiel nicht, spricht heulend des einsamen Berges Sohn; er fiel nicht, wie der schweigende Stern der Nacht, wenn er durchs Dunkel fleugt und verschwindet. – Aber wie ein Luftbild war er, das in ein ferneres himmlisches Land hineinschießt, und Streifen zurückläßt im Gesichte des nachblickenden Wanderers.

Ossian.


Er fiel! – So stürzt der Wetterstrahl

Des Berges Tanne nieder!

Ach, Rieger fiel! Ihr Brüder, weint!

Denn solchen Vater, solchen Freund,

Wo finden wir ihn wieder?


Gott! welch ein Anblick war's, als wir

Um seine Leiche standen!

Und ach! den schrecklichen Verlust,

Den Dolch gedreht in unsre Brust,

Mit vollem Schmerz empfanden!


Der graue Krieger zitterte,

Stand stumm und weinte lange!

Dem jüngern Krieger brannt' das Herz;

In heißen Tropfen quoll sein Schmerz

Von sonnenbrauner Wange.


Ein Todtenacker scheint der Berg,

Beglänzt vom Mondenlichte.

Soldaten stehen weggewandt,

Und trocknen sich mit rauher Hand

Die Thränen vom Gesichte.[120]


Ha, Kamerad! möcht' heulen laut,

So sprechen harte Krieger;

Denn unser General ist todt,

Der liebreich uns die Rechte bot,

Ach! unser Vater Rieger!


Gott weiß, er war Soldatenfreund,

Half Leidenden und Armen;

Zwar hagelscharf dem Bösewicht,

Doch Braven mild, wie Maienlicht,

Voll Mitleid und Erbarmen.


Einsamer Asperg! traure nur,

Dein Vater ist geschieden!

Der deine Scheitel so geziert,

Der so mit Weisheit dich regiert,

Dein Vater ist geschieden!


Ha, Träger! nehmt die Leiche nur

Verstummend auf den Rücken;

Wir schreiten schweigend hinterher

Mit grabgesunkenem Gewehr

Und thränenschweren Blicken.


O, lauter als Kanonenschuß

Und Krachen kleiner Wehre,

Schickt, Vater! dein Batallion

Den Dank vom Grab zu Gottes Thron,

Getaucht in manche Zähre.


Ja, tausend Dank! Ach tausend Dank,

O Vater für uns alle!

Ja wohl, ein Vater warst uns du!

Zieh' ein, zieh' ein zur ew'gen Ruh'

In deine Todtenhalle.


Gott selbst im Himmel lohn' es dir,

Was du uns hier erwiesen!

Mit Himmelsruh' und Herrlichkeit,

Mit ew'gem Frieden nach dem Streit –

O, tausend Thränen fließen![121]


Geist Rieger! schau' herunter nun

Aus deiner Wolkenhülle,

Und hör' des Weinens Stimme, hör'

Der Deinen Sehnsucht, tief und schwer!

Den Dank aus Herzensfülle!


Ach, droben, Vater! stehst du schon

Am Thor vor Gottes Garten,

Und betest mit gefaltner Hand

Für uns in diesem Gräberland,

Und wirst uns all' erwarten.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 118-122.
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