[»O Lilgen schne weiß«]

[255] [1.]

O Lilgen schne weiß/

Auß dem Paradeyß/

O wie tugentreich/

O wie werth zugleich/

Gott dem Herren sein/

Die zwo Lilgen fein/

Kein früling/ kein Mäy/

Wie frölich er sey/

Hats bracht also schon/

Als da sein die zwen

S. Jgnatius/

Vnd Xauerius/[256]

Ein mechtige krafft

Hat der Lilgen safft/

Kompt jhr Kinder [fein/]

Last vns frölich sein/

Den Lilgen schne weiß/

Singt Lob/ Ehr vnd Preiß.


2.

O Lielgen schnee weiß/

Voller Ehr vnd Preiß/

Wie riecht jhr so wol/

Von der Lieb gantz vol/

Wie schön scheint herfür/

Ewer Seelen Zier.

Kein König so reich/

Der euch es thut gleich/

Mit Zierd vnd Geschmuck/

Jn eintzigem stuck/

So heuffige gnad/

Euch Gott geben hat.

Viel lieblicher sein/

Als Mäyblümelein/

Die gnaden die euch/

Machen also reich/

Darumb jhr jetzt werd/

Von der Welt verehrt.


[3.]

O Lielgen so zart/

Wie schön ewer art/

Die Farb mancherley/

Doch so schön darbey/

Daß der helle glantz/

Vns erquicket gantz.

Die Sanfftmuth so groß/

Die Armuth so bloß/

Die Lieb also hell/

Gehorsam so schnell/

Schön die Reinigkeit/

Starck die Dapfferkeit.

Auff Erden habt jhr/

Mit grosser begier/[257]

Gottes Ehr allein/

Durch viel Müh vnd Pein/

Dem Nechsten zu gut/

Gsucht mit festem muth.


[4.]

O Lielgen/ im Feld/

Der Kirchen gestelt/

Euch ehren mit wohn/

China vnd Japon/

Denen jhr [gezeigt]/

Den Weg der Warheit/

Viel Sünder/ gantz frey/

Für so mancherley/

Des Lebens gefahr/

Die vor augen war/

Durch Trübsal vnd Noth/

Habt bekehrt zu Gott.

Kein Leiden noch Pein/

Euch schwer scheint zu sein/

Wann nur Gott der Herr/

Würd gepriesen mehr/

So groß war die lieb/

Die euch darzu trieb.


[5.]

O Lielgen wie klar/

O wie wunderbar/

O wie süß/ wie milt/

Jst doch ewer Schilt/

Der in aller Schlacht/

Euch ein muth gemacht.

Jn grosser Gefahr/

Die zu fürchten war/

Alle zuuersicht/

Auff jhn war gericht/

Dann zu aller stund/

Er euch helffen kund.

Ein trefflicher Schilt/

Scheint gantz vbergült/

Wie ein Fewrflamm/

JESVS ist sein Nahm/[258]

Den das Hertz vnd Mund/

Lobt zu aller stund.


6.

O Lilgen wie weit/

Hat sich außgebreit/

Ewer süssigkeit/

Die vns all erfrewt/

Der Ketzer List/

Gantz zu wider ist.

Deßwegen sie euch/

Hassen alle gleich/

Weil jhre falsche Wahr/

Die verzuckert war/

Von euch wird entdeckt/

Vnd wol außgelegt.

Was Jammer vnd Leid/

War vns zubereit/

Durch der Ketzer Lehr/

Doch hats Gott der Herr/

Offt zu nichts gemacht/

Durch der Lilgen macht.


7.

O Lilgen schneeweiß/

Gott sey Lob vnd Preiß/

Daß er solche Krafft/

Euch allhie verschafft/

Vnd zur Ewigkeit/

Hat den Weg bereit.

Euch loben thun wir/

Mit grosser begier/

Vnd Fürbitter seyd/

Bey Gott allezeit/

Daß wir mögen euch/

Sehn im Himmelreich.

O lieblicher safft/

O wundere krafft/

Kompt jhr Kinder fein/

Laßt vns frölich sein/

Den Lilgen schneeweiß/

Singt Lob/ Ehr vnd Preiß.


Quelle:
Friedrich Spee: Trutznachtigall, Halle a.d.S. 1936.
Erstdruck in: Gesangbuch Brachel, Köln 1625.
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