25. Lied eines Deutschen in fremden Kriegsdiensten

[60] 1775.


An fernem Ufer hingebannt,

Thut mir's von Herzen weh,

Daß ich mein liebes Vaterland

Nicht mehr mit Augen seh.


Ich sehne täglich mich zurück;

Das läßt mir keine Ruh!

Ich werfe manchen nassen Blick

Dem wilden Meere zu.


Das war zuvor nicht meine Art!

Nun wein' ich, wie ein Kind;

Daß oft am schwarzen Knebelbart

Die helle Thräne rinnt.


O wehe dem, der mich mit Trug

In dieses Land gebracht!

Mein Leid verwandle sich in Fluch,

Und quäl' ihn Tag und Nacht!


Er trank mir zu auf Josephs Wohl

In altem Rheinschen Wein,

Goß bis zum Rand die Gläser voll

Und schenkte weidlich ein:


Bis daß ich taumelte; da las

Der Bube Formeln her;

Ich sang den Schwur beim vollen Glas,

Und trank, und bat um mehr.
[60]

Da gab er mir sein schnödes Gold,

Und zahlte meine Zech;

Nun war ich in des Königs Sold,

Und mußte mit ihm weg.


Die lieben Eltern kümmern mich!

Der Vater härmt sich ab;

Die Mutter weinet bitterlich,

Und wünschet sich ins Grab.


Und du, mein süßes Hannchen, weinst

Die blauen Augen rot!

Sie trösten dich; du aber meinst,

Dein Nikolas sei tot.


All was du siehst, das mahnet dich

An deinen Nikolas:

Die Linde, unter welcher ich

Mit dir im Schatten saß;


Der Weinstock, welchen meine Hand

Für Hannchen auferzog,

Und früh die zarten Reben band,

Und dir zur Laube bog.


Dort warfst du mir mit loser Hand

Die Beeren in den Mund;

Dort war es, wo wir Hand in Hand

Beschworen unsern Bund.


Wie war's den Abend uns so wohl!

Ich führte dich nach Haus;

So manche stille Thräne quoll

Auf deinen Blumenstrauß.


So freundlich lachten Wald und Thal

In meinem Leben nicht!

Der Abendröte sanfter Strahl

Erhellte dein Gesicht.
[61]

Wie Turteltäubchen liebten wir,

Und teilten Freud' und Not;

Wir sagten oft, uns würde hier

Nichts trennen, als der Tod.


Nun seufz' ich spat, und seufze früh:

Erbarm dich, lieber Gott!

Und rette mich, und rette sie

Durch einen sanften Tod!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50,2, Stuttgart [o.J.], S. 60-62.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Condor / Das Haidedorf

Der Condor / Das Haidedorf

Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon