Vierter Brief.

Fiekchen an Ernestinchen.

[24] Liebes Ernestinchen!


Ich habe deinen Brief richtig erhalten. War' er um acht Tage eher gekomen, so würd' ich mich über die Sachen, die du mir geschrieben, höchst verwundert haben; aber ich bin seit dieser Zeit so aufgekläret worden, daß mir jedes Wort ein neuer Grund zu frischem Gelächter war.

Sage mir doch, mein gutes Kind, – wenn dir der Herr Rittmeister die Hand auf den Hintern leget, dich so an sich drücket und küsset; – spürest du nicht, daß sich dann eine eben solche Gattung von Leberwurst, umgekehrten Klingelbeutel, oder wilden Thiere in seinen Hosen erzürnet, und[25] dir durch die Schürze einige modeste Schneller, oder Drücke giebt? – Indessen eröffn' ich dir im Vertrauen, daß ich nun die Ehre habe, dieses Ding persönlich zu kennen. Höre!

Vorigen Sonnabend nachmittag kam mein Papa gleich aus der Beichte nach Hause. Er küßte die Mama, und fragte: »wo ist Fiekchen?« Ich stiek hinter dem Ofen, und rührte mich nicht, weil ich kurz zuvor sein Trinkglas zerbrochen, und Schläge furchte. Er trug, nachdem er zuvor seine Beichtgroschen auf den Tisch geworfen hatte; die Mama auf das Bette, über welches er sie hinlegte, und kam unter seinem Priesterrocke mit einer Maschine hervor, die eher einer großen Stange Rapee, als einer Leberwurst gleich sah. Er deckte der Mama, die aus Furcht die Augen zuhielt, die Röcke in die Höhe, und setzte sie ihr an den bloßen Bauch. Sie zückte erst ein Biechen: als er es ihr aber in etlichen Stößen in den Leib geschoben[26] hatte, hielt sie zu meiner Verwunderung ganz still; schlang die Arme um ihn, und spielte mit den Lippen an seinen leinenen Gesetztafeln. Er wackelte nun ganz entsetzlich mit dem Hintern: endlich pfropfte er noch einmal so geschwind als im Anfange, und plötzlich hört' er auf, und sank mit der Nase über der Mama Schulter hin. Ich benutzte diesen Augenblick, und schlich zur Thüre hinaus.

Nachdem ich mich etliche Tage lang dem tiefsten Nachdenken überlassen, macht' ich endlich den Schluß, daß mehr Männer dergleichen Dinger haben müßten; fand auch wirklich, daß unser Wilhelm eines habe; weil ich es durch seine Beinkleider wahrnahm, und sogar auf den Raub befühlte. Gestern war ich mit ihm im Garten, Salat zu holen. Wir kollerten eine Weile auf dem Grase; endlich frug er, ob wir nicht ein Spiel machen wollten. Ich schlug ihm das Papaspiel vor; aber er[27] versicherte mich bei seiner Ehrlichkeit, daß er es nicht kenne; bat mich, es ihm zu lernen, und – ich gewährte seine Bitte.

Ich sah mich um, und erblickt' ein trockenes Mistbeet, auf welches ich ihn mich tragen hieß. Itzt fragt' er mich, was er weiter anfangen solle; es fiel mir schwer zu sagen, aber ich half mir mit Wincken. Schon hatt' er den Oberrock in die Höhe gehoben, als die Gartenthüre aufgieng, und der Papa mit der Frau eines Hannswursts, der nebst seinem Herrn dem Zahnarzt, eben bei uns auf dem Jahrmarkte war, eintrat.

Er sah mich in dieser Positur liegen, und fragte mich, was Wilhelm mit mir gemachet habe. Ich antwortete ihm weinend: »Der lose Junge! – da hat er mir meine Nuß aufschlagen wollen, die mir der Herr Kantor schenkte; und weil ich sie ihm nicht gab, wollt' er mir den Hintern klatschen.« Wilhelm sagte,[28] es sey nicht wahr, und wollte weiter reden, als ich ihm winkte. Er verstand es, und schwieg. »Nicht doch, Kinder, – sagte Papa: – laßt mir die Nüsse stehen, bis sie reif sind; – und du Wilhelm, der Arsch meiner Tochter ist nicht mit in dein Kostgeld eingedungen. – Itzt geht nur nach Hause.« Wir nahmen unsere Salatbündel, und giengen.

Siehest du, liebstes Fiekchen, wie herrlich ich mich aus der Affaire gezogen habe? – Ja, lügen kann ich ganz passabel, und will es (mit Gottes Hilfe) darinn auch noch weiter bringen.

Ich habe gehöret, daß es Leute gebe, die das, was sie lügen, zuletzt selbst glauben. So weit möcht' ich kommen. – Da würde ich ja im Glauben stark werden; denn mein Papa spricht immer von der Kanzel dem Volke zu: »Stärket euren Glauben! – selig sind, die da nicht sehen, und doch glauben!« – Auf[29] solche Art wäre der letzte Ausspruch gewiß vollkommen erfüllet; denn wer so lügt, der stieht nichts, und hat es nie gesehen, und glaubet es dennoch mit vollkommener Stärke. – –

Der Papa hat oft gesagt, die Hannswürste sehen eine sündliche Profession, und man könne mit gutem Gewissen Keinen kommuniciren lassen. Vermuthlich hat er deswegen seine Frau mit in den Garten genommen, um ihr unter vier Augen den bösen Lebenswandel ihres Mannes zu Gemüth zu führen, und sie zuerst zu bekehren – Lebe wohl; ich küsse dich, und bin


Dein Fiekchen.

Quelle:
Karl Timlich: Priaps Normal-Schule die Folge guter Kinderzucht. [München] [1971], S. 24-30.
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