Metzelsuppenlied

[52] Wir haben heut nach altem Brauch

Ein Schweinchen abgeschlachtet;

Der ist ein jüdisch ekler Gauch,

Wer solch ein Fleisch verachtet.

Es lebe zahm- und wildes Schwein!

Sie leben alle, groß und klein,

Die blonden und die braunen!


So säumet denn, ihr Freunde, nicht,

Die Würste zu verspeisen,

Und laßt zum würzigen Gericht

Die Becher fleißig kreisen!

Es reimt sich trefflich: Wein und Schwein,

Und paßt sich köstlich: Wurst und Durst,

Bei Würsten gilt's zu bürsten.


Auch unser edles Sauerkraut,

Wir sollen's nicht vergessen;

Ein Deutscher hat's zuerst gebaut,

Drum ist's ein deutsches Essen.

Wenn solch ein Fleischchen, weiß und mild,

Im Kraute liegt, das ist ein Bild

Wie Venus in den Rosen.


Und wird von schönen Händen dann

Das schöne Fleisch zerleget,

Das ist, was einem deutschen Mann

Gar süß das Herz beweget.

Gott Amor naht und lächelt still

Und denkt: nur daß, wer küssen will,

Zuvor den Mund sich wische!


Ihr Freunde, tadle keiner mich,

Daß ich von Schweinen singe!

Es knüpfen Kraftgedanken sich

Oft an geringe Dinge.

Ihr kennet jenes alte Wort,

Ihr wißt: es findet hier und dort

Ein Schwein auch eine Perle.
[52]

Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 52-53.
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