Lobgesang des Frühlings

[7] An Hrn. Gleim in Berlin


1741.


Wie lang hat meine Muse schon,

Die Witz und edle Einfalt ehret,

Am blumenvollen Helikon,

Den Musen Griechenlands begierig zugehöret!
[7]

Nun aber will sie selbst einmal

Die hochgestimmte Cyther schlagen;

Doch Mavors blutbefleckter Stal

Verbeut ihr, sich ins Feld, voll Furchtsamkeit, zu wagen.


Sie schlich sich zwar, mit seltnem Muth,

Jüngsthin ins dicke Kriegsgedränge,[8]

Und sann auf Leichen und auf Blut

Und in erhitztem Kampf, auf kriegrische Gesänge.


Sie drang mit Zittern an den Ort,

Wo, trotz der Glut, die donnernd krachte,

Durch Muth und durch sein mächtig Wort

Sich Brandenburgs Monarch das Kriegsglück dienstbar machte.


Doch Phöbus riß sie aus dem Brand,

Und bracht, durch ihre Furcht gerühret,

Sie in das sonnenreiche Land,

Allwo der Wahrheit Faust den sanften Zepter führet.


Hier, sprach er, wo kein Mörsel wühlt,

In diesen ungestörten Gründen,

Versuche, wie dein Finger spielt;

Du kannst auch hier den Stoff zu hohen Liedern finden.
[9]

Dort, in der Göttinn Heiligthum,

Wo Licht und reiner Schimmer lachen,

Da thront ihr Liebling und ihr Ruhm,

Wolf, der für Eifer glüht, die Wahrheit groß zu machen.


Sie reicht, auf unschätzbarem Gold,

Ihm necktarreiche Götterspeise,

Die jener fette Weinstock zollt,

Der um den Tempel kriecht, gepflanzt von ihrem Fleiße.


Wolf reicht es nun dem Grafen dar,

Der Philurenens Fluren schmücket;

Den schon die frohe Musenschaar,

Die seine Rechte schützt, bis an die Sterne rücket.
[10]

Der hat, von hoher Glut entbrannt,

Den lorbernwerthen Bund errichtet,

Der durch ein neugeknüpftes Band,

Der Wahrheit beyzustehn, jedweden Freund verpflichtet.


Was kömmt da für ein kühner Held?

Es fliegt der Sieg an seiner Seite;

Die Klugheit ist ihm beygesellt;

So sieht der Kriegsgott aus, erhitzt vom scharfen Streite.


Wer kann es sonst, als Friedrich, seyn?

Der ist es, ja, des Feindes Schrecken.

Er hängt in jenem Palmenhäyn

Die güldnen Waffen auf, die Staub und Blut bedecken.


Ihn küßt der Göttinn holder Mund;

Es ruht auf ihm ihr ganzes Glücke:

Er thut ihr seine Liebe kund,

Und schaut auf Wolfen hin, mit gnadenvollem Blicke.
[11]

Nun sieh ihn an, nun gleicht er mir;

Die Flöte reizt in seinen Händen,

Es schweigt das lüsterne Revier

Bey seiner Töne Pracht, die meinen Ruhm entwenden.


Drum fliehn die Musen öffentlich

Zu diesem weisen Ueberwinder;

In Friedrichs Arme flüchten sich

Geschmack und ächter Witz, der Wahrheit schönste Kinder.


Nun, da sein Anblick sie belebt,

So springt in freudenvollen Tänzen,

Dort, wo ein kühler Schatten schwebt,

Die fest verschlungne Schaar, geziert mit Rosenkränzen.


O laß dir diese güldne Zeit

Noch mehr als Friedrichs Muth gefallen:

Hiervon, und nicht von Krieg und Streit,

Du junge Muse! laß die neuen Saiten schallen.


So sprach er! und die Muse brennt,

So hohe Dinge zu besingen;

Doch, weil sie ihre Schwäche kennt,

So läßt ihr Mund vorher ein niedrers Lob erklingen.

Quelle:
Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart 1890, S. 7-12.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sämtliche poetische Werke
Sämtliche poetische Werke. Hrsg. von A. Sauer

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Die Sängerin Marie Ladenbauer erblindet nach einer Krankheit. Ihr Freund Karl Breiteneder scheitert mit dem Versuch einer Wiederannäherung nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Erblindung. »Das neue Lied« und vier weitere Erzählungen aus den Jahren 1905 bis 1911. »Geschichte eines Genies«, »Der Tod des Junggesellen«, »Der tote Gabriel«, und »Das Tagebuch der Redegonda«.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon