VIII.

[378] Und Thomas Pearkop, wird der Leser fragen, was ist aus dem vortrefflichen Thomas Pearkop geworden? Wurde er an Bord des »Saint Michel« behalten? Und wenn das der Fall war, was konnte er jetzt, wo man seiner scharfen Augen nicht bedurfte, noch nützen?

Die Antwort lautet sehr einfach: Wir haben den »Gentleman« bei uns behalten. Wir waren an ihn, an sein breites blühendes Gesicht, das für die treffliche Verpflegung auf der Yacht den sprechendsten Beweis lieferte, nun einmal gewöhnt, und er hätte uns gewiß gefehlt. Ich muß freilich hinzusetzen, daß er, um an Bord zu bleiben, den Vorschlag gemacht hatte, uns mit Gewährung von Rabatt, ja wirklich mit Rabatt, nämlich für nur acht Pfund Sterling, nach Deal zurückzulootsen!

Das erscheint auf den ersten Blick nicht recht erklärlich; bei näherer Betrachtung erkennt man jedoch, daß jenes billige Angebot auf einem wohlerwogenen Finanzplan fußt, der ihm mancherlei Vortheile gewährte.

1. Thomas Pearkop ersparte durch fernere Verwaltung seines Dienstes das Passagiergeld von Tönning nach Hamburg und von Hamburg nach der englischen Küste; für ihn ein gewichtiger Punkt.

2. Er benutzte seinen Aufenthalt an Bord des »Saint Michel« zur bequemen Erlernung der französischen Sprache.

Ja, ja, es ist so, und er hatte dazu auch ein recht sinnreiches Mittel gewählt, nämlich eine vertraute Verbindung mit unserem Schiffskoch, dem er mancherlei Dienste leistete. Er putzte z. B. Möhren, wusch Salat, klopfte Beefsteaks – mit Sachverständniß, weder zu stark noch zu schwach – mit einer Hand, welche mehr geeignet schien, dieselben zu pulverisiren. Dann begleitete er den Küchenchef nach dem Markte und wußte es immer so einzurichten, daß dieser einkaufte, was er, Pearkop, mit Vorliebe aß – vorzüglich Fische, die bei ihm, als ehemaligem Fischer, hoch in Gunst und Ansehen standen. Wenn er diese Speise zu beurtheilen wußte, so verstand er sich auch nicht weniger auf die Vertilgung derselben.

Aber, wird man fragen, das Französisch, wie lernte er das? Obgleich Thomas Pearkop weder französisch noch deutsch, weder dänisch noch holländisch [379] sprach, so diente er doch als Dolmetscher zwischen unserem Koch, der jene Sprachen gar nicht verstand, und den verschiedenen Lieferanten der Bedürfnisse unserer Yacht. Wie er damit fertig geworden ist, vermag ich zwar nicht zu erklären, aber die Thatsache kann ich bekräftigen.

Außerdem machte er sich übrigens mit unserem Schiffsjungen ziemlich viel zu schaffen.

»Junge, ein Glas Wein!«

»Junge, mir ein Glas Bier!«

»Junge, ein Glas Branntwein!«

»Junge, ein Glas Wasser!«

Die letzteren Worte hörte man freilich am seltensten.

Da sich derlei Uebungen häufig genug wiederholten, lernte Thomas Pearkop die französische Sprache so weit recht gut, wie sie für eine anglosächsische Gurgel von specieller Bedeutung ist, und jetzt hat er es schon zu einem ziemlich beträchtlichen Tonumfang darin gebracht.

Es wäre gewiß zu viel behauptet, wenn ich dem »Gentleman« nachrühmte, daß er bei Beendigung seines Dienstes auf der Yacht schon gründlich französisch verstanden hätte, aber jedenfalls wußte er ein Glas jedes beliebigen Getränkes ohne Schnitzer zu bestellen. Darauf beschränkte sich sein Wortschatz, nicht zu vergessen das Wörtchen »bono«, das er stets schnalzend als Zeichen höchster Befriedigung hervorbrachte.

Quelle:
Paul Verne: Von Rotterdam nach Kopenhagen an Bord der Dampfyacht »Saint Michel«. In: Die Jangada. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXXIX– XL, Wien, Pest, Leipzig 1883, S. 353–404, S. 378-380.
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