David

[237] Der Ölbaum wuchs in dichten Hainen,

An klaren Bächen wucherte die Rose,

Allwo die Wiege stand des Kleinen,

Gleich einem Taubennest im grünen Moose;

Er spielte noch im bunten Knabenkleide

Und füllte dienend seiner Brüder Krug,

Als er zu seines Stammes Freude

Schon meisterlich die Harfe schlug.


Er kam mit Wein und Brot gegangen,

Sein braunes Auge strahlte vor Vergnügen;

Er fand sein Volk mit Spieß und Stangen,

Doch zag und ratlos vor dem Feinde liegen.

Der große Hans Narr warf dort Bein und Arme

Mit tollem Wüten in die Luft empor,

Daß rasch dem Heldenkind das warme

Zornrosenblut im Herzen gor.


Des Königs Waffenlast verwerfend,

Trat er hervor, mit Gott allein im Bunde;

Die Hand mit weißen Steinen schärfend

Aus eines Bächleins hellem Silbergrunde,

Tat er den Wurf; des Riesen Stirne klaffte,

Es war aus blauer Luft ein jäher Schlag!

Wie lacht' er schön, als der Erschlaffte

Kopflos zu seinen Füßen lag!


Der Dank, den David hat empfangen,

Steht in den alten Schwarten aufgeschrieben:

Nach seinem Tod ein toll Verlangen!

In Not und Irrsal ward er hingetrieben.

Sein Haupt zum Herren nächtlich aufgewendet,[238]

Sang er des Grames Lied ohn Unterlaß;

Doch hat das Spiel noch gut geendet,

Als auf dem Thron der Feldhirt saß!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 237-239.
Lizenz:
Kategorien: