Einst und jetzt

[30] »Möchte wieder in die Gegend,

Wo ich einst so selig war,

Wo ich lebte, wo ich träumte

Meiner Jugend schönstes Jahr!«


Also sehnt ich in der Ferne

Nach der Heimat mich zurück,

Wähnend, in der alten Gegend

Finde sich das alte Glück.


Endlich ward mir nun beschieden

Wiederkehr ins traute Tal;

Doch es ist dem Heimgekehrten

Nicht zumut wie dazumal.


Wie man grüßet alte Freunde,

Grüß ich manchen lieben Ort;

Doch im Herzen wird so schwer mir,

Denn mein Liebstes ist ja fort.


Immer schleicht sich noch der Pfad hin

Durch das dunkle Waldrevier;

Doch er führt die Mutter abends

Nimmermehr entgegen mir.


Mögen deine Grüße rauschen

Vom Gestein, du trauter Bach;

Doch der Freund ist mir verloren,

Der in dein Gemurmel sprach.


Baum, wo sind die Nachtigallen,

Die hier sangen einst so süß?

Und wo. Wiese, deine Blumen,

Die mir Rosa sinnend wies? –[31]


Blumen fort und Nachtigallen

Und das gute Mädchen auch!

Meine Jugend fort mit ihnen;

Alles wie ein Frühlingshauch!

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 30-32.
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