An die Freiheit

[34] 1778.


Hrn. Rath Perschke gewidmet.


Die ich zur Göttin mir erkohr,

O Freiheit! mit dem Flammenblik,

Dir huldigte

Schon früh mein deutsches Herz!


Laut klopft dem Vaterland' es zu,

Dem Mädchen und dem Freunde laut,

Doch lauter noch,

O Tochter Gottes, dir!


Wer dich nicht liebt, sei nie mein Freund!

Ihm schliesse nie mein Herz sich auf,

Und wäre gleich

Gebirgtes Gold der Preis!


Du bist dem Edlen, der dich kennt,

Das gröste Kleinod, felsenfest

Im Unglükssturm,

Dem Tode selbst zu stark.


Heil dem, den du zum Liebling dir,

Zu deinem Sänger dir erkohrst,

Die Lebensbahn

Wird Eden seinem Blik!


Ihn lokte falscher Schimmer nie

Zum Königsstuhl, zum Fürstensaal,

Nicht Selbstgewin

Und niedrer Durst nach Ruhm.


Heil! Heil! auch mir, ich lernte schon

Als Knabe deinen Wink verstehn,[35]

Doch besser noch

Verstand der Jüngling ihn!


Du zeigtest, Göttin! mir zuerst

Der Tugend holde Lichtgestalt,

An deiner Hand

Gewan ich ihren Pfad!


Du legtest früh in meine Brust

Zu jeder edlen That den Keim,

Und mancher ist

Emporgeblüht durch dich!


Du leitetest zum Himmelsquell

Der Weisheit und der Schönheit mich,

Gabst Stärke mir

Zu schöpfen tief und gut!


Dank, Dank, o edle Freiheit, dir!

Du flügelst meinen trunknen Geist

Mit Feuerkraft,

Zu wagen jeden Flug!


Du giebst mir himmelhohen Muth,

Wenn Unterdrücker, sonder Zahl,

Aus deinem Arm

Mich loszuwinden, dräun.


Sie mögens nicht! denn deine Hand

Wird ihrem schlaffen Naken schwer,

Wie leichte Spreu,

Zerstieben sie vor dir!


Durch dich biet' ich der Bosheit kühn

Die freie, unbewölkte Stirn;

Dein Schwert flamt auf!

Ihr Sklavenheer erbebt!
[36]

Wenn düstres Trauren mich umringt,

Tief in der Seele Kummer nagt,

Winkst du die Ruh

Dem bangen Geist zurük!


Du lächelst Engelheiterkeit

Auf mein bestrohtes Dach herab,

Wo jeder Tag

Mir unter Lust entfleugt!


Da würzest mir die leichte Kost,

Dein Odem weht, beim Nachtbegin,

Mir Schlummer zu,

Und süß ist meine Rast!


So lang mich dieses deutsche Blut

Durchrollt, bleibt dir mein ganzes Herz,

Ich schwör' es laut!

O Freiheit, zugethan!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 34-37.
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