Grabschrift einer Nachtigall

[160] Still im Lorbeergebüsch ruht Philomelens

Leichter Schleier. Die Liebesgötter klagten

Als ihr zärtlicher Maigesang verstummte.

Aber selig und frei entflog ihr Schatten

Zum elysischen Hain; dort neben Sapphos

Und Anakreons Amaranthenlaube

Wohnt in ewiger Jugend nun die holde

Frühlingssängerin. Wirf ein Lorbeerblättchen

Auf ihr Grabmal, o Wandrer! ihren Manen

Opfr' ein liebendes Weib die erste Rose.

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 160.
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