Der Patriot und der Weltmann

[199] »Wie lieb' ich dich, mein Vaterland,

Wo ich den ersten Odem zog,

Und frische Lüfte athmete;

Wie lieb' ich dich! wie lieb' ich dich!«

So sprach ein deutscher Biedermann,

Und Thränen flossen vom Gesicht.

(Oft weint' ich in der Mitternacht

Auch solche Thränen – Gott, du weißt's!)

Ihn hört' ein Weltmann, kalt wie Schnee,

Nahm Schnupftabak und lächelte.

Was Vaterland? Haha, ha, ha!

Mir ist, weil ich erfahrner bin,

Die ganze Welt mein Vaterland.

Wo für mich Brod und Ehre ist,

Da ist mein Vaterland! – Der Deutsche

Sprach biedermännisch, keck und kalt:

So schlägst du mit geballter Faust

Die eigne Mutter, die dich tränkte,

Ins Angesicht? Undankbarer![199]

Hat jene Dirne dich gesäugt,

Der du die geilen Lippen küssest?

Fleuch hin zur Krippe, draus du frißst,

Und nenne sie dein Vaterland.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 199-200.
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