1. Schwergereimte Ode an einen schwerreimenden Dichter

Anf. Febr. 1773.


– Non ego te meis

Chartis inornatum silebo,

Totve tuos patiar labores

Impune, Lolli, carpere lividas

Obliviones.

Horat. IV. Od. 9.


Getrieben von der alten Reimsucht,

Irrst du umher, und brummst voll Angst,

Gleich einem Bär, der Honigseim sucht,

Bis du den neuen Reim erlangst.


Bald siehst du Hilfe bei dem Aga

Der Schar am Aganippeborn,

Und bald hofierst du Deutschlands Braga

Mit deinem Auerochsenhorn.


Itzt fei'rt die Lyra Zeus im Erzschild,

Wie er erhebt die Flammenfaust,

Und aus Gewittern niederwärts schilt,

Daß Berg und Wald und Fels zergraust;


Dein Bardenschrei schreit itzt vom Harzwald

Ins Wutgeheul des Weserstroms,

Der von dem Blute Varus' schwarz wallt,

Ins Angstgeheul der Hügel Roms;
[327]

Itzt bitterst du dein Lied mit Wermut,

Und ächzest, wie vom Turm der Kauz,

Wie Türk voll angeborner Schwermut,

Mondaufheult mit erhobner Schnauz.


Allein was marterst du und grillst dich?

Der Ruhm, wonach du ringst, ist Luft,

Ist Seifenblase, steigt schwülstig,

Schwimmt fort, und schimmert, und zerpufft!


Lies die Dramaturgie von Lessing:

Ist er auf Dichternamen stolz?

Poetenruhm glänzt nur wie Messing;

Brotweisheit hat den Wert des Golds!


Wenn nun begeistert du gewaltsam

Die Feder käust, den Boden stampfst,

Die Augen drehst, und unaufhaltsam

Aus offnem Schlund die Glut verdampfst;


Und jetzt nach langer langer Arbeit

Ein Päan sich herausgewürgt,

Der Trotz der ganzen Musenschar beut,

Dem schamrot Pindar selbst sich birgt:


Was hast du denn, als Kopf- und Bauchweh,

Und Aschgesicht und schwindelnd Hirn?

Ja Daum und Finger thut dir auch weh,

Und macht dich gleich dem Kranich girrn!


Mit schiefem Geifermaul umquackt dich

Das Froschgeschwätz der krit'schen Zunft,

Und jeder kahle Hundsfott plackt dich

Und zeiht dein Lied der Unvernunft.


Drum jag die Musen all zum Satan,

Ein Raub der glühnden Bärentatz,

Und nimm, o Quaxquax, meinen Rat an,

Der baß dir thun wird, dann Horaz.
[328]

Zeuch aus den Flausrock deiner Drangsal,

Und putze dich, und eile flugs

Zum kerzerhellten bunten Klangsaal,

Durchtönt von Erz und Darm und Bux!


Dort geiget heut der große Lolli.

(Wem schwand nicht schnell der schwarze Harm,

Der Ohren Lollis Dur und Moll lieh?)

Ganz himmlisch hallt sein Fiedeldarm!


Ich hört' ihn gestern, wie entsetzlich

Sein Instrument mit zwanzig stritt;

Potz Stern! Was für ein Lärm! Doch plötzlich

Ging's Solo: Dudel! Didel! zht!!!


Nur wähle dir zuvor ein Mägdlein

Am Arme, rosig, wie der Lenz,

Und führe sie, als Jungfernknechtlein,

Zum Sitz mit tiefem Reverenz.


Sowie der Pope vor Sankt Niklas,

Steh dann, und gaff' auf ihren Pelz,

(Bei seinem Schwellen wird kein Blick laß!)

Auch neig' dich flüsternd: Wie gefällt's?


Hat Lolli sein Konzert vollbracht, und

Des Mädchens Herz erweicht wie Wachs;

Dann führ sie durch die düstre Nacht, und

Allein zurück, doch nicht zu stracks.


Man sagt, ein Mädchen sei kein' Eidechs,

Sie fühle, gleich dem Jüngling, Feu'r;

(Nur schalkheitsvolle Heuchelei deck's;)

Im Dunkeln sei ihr Kuß nicht teu'r!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 325-329.
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